Die große Liebe war Grund, der Heimat den Rücken zu kehren und auszuwandern

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(Oberösterreichische Nachrichten, 13. März 2016)

LOHNSBURG, AVILA (SPANIEN). Eva-Maria aus Lohnsburg hat es nach zig abenteuerlichen Trips nach Spanien verschlagen.

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Eva-Maria Martinez-Strasser (2.v.l.) mit ihren drei Kindern Valeria, Carolina, Pablo und ihrem Ehemann Antonio (v.l.) Bild: (privat)

„Ich kann mich erinnern, dass ich bei einem Schulaufsatz in der ersten Klasse Gymnasium meinen Traumberuf folgendermaßen beschrieb: Ich wollte „Skilehrerin mit Fremdsprachen“ werden“, erzählt die gebürtige Lohnsburgerin Eva-Maria Strasser. Der Traum, als Skilehrerin, die viele Sprachen spricht, hat sich die Innviertlerin erfüllt. Dass sie sich während ihrer Reisen in den spanischen Tierarzt Antonio Martinez Quesada verliebte, veränderte ihre Lebenspläne jedoch grundlegend.

„Wir haben uns in Madrid beim Tanzen kennengelernt. Obwohl ich anfangs noch sprachliche Schwierigkeiten hatte, verstanden wir uns auf Anhieb.“ Mittlerweile haben sie geheiratet und Eva-Maria hat es in die Heimat ihrer großen Liebe verschlagen. Dort lebt das Ehepaar mit den 18-jährigen Drillingen Carolina, Valeria und Pablo in der höchstgelegenen Provinzhauptstadt Spaniens, in Avila.

Dort hat die 53-Jährige an der Universität ihren Arbeitsmittelpunkt gefunden, wo sie als Projektmanagerin die Überwachung und Förderung von Austauschstudenten und -professoren über hat. „Das Schöne an meinem derzeitigen Beruf ist, dass ich kreativ sein und selbstständig arbeiten kann.“

Lebenslauf liest sich wie Roman

Der Lebenslauf von Eva-Maria Strasser liest sich wie ein Auszug eines Romans: Nach dem Dolmetsch-Studium an der Leopold Franzens Universität in Innsbruck belegte die Lohnsburgerin den Universitätslehrgang für Import-Export. Im Jahr 1981 wurde Eva-Maria Strasser zur Touristikkauffrau am Tourismuskolleg Innsbruck ausgebildet.

Schließlich ließ sie ihr Lebenstraum Skilehrerin nicht mehr los und Strasser bereiste die weite Welt, um in den USA, Argentinien, der Schweiz, Frankreich, Spanien und Österreich Kindern und Erwachsenen das Skifahren beizubringen. Genauso erstaunlich wie die verschiedenen Destinationen sind auch die Sprachkenntnisse.

Neben Deutsch beherrscht Eva-Maria Strasser Spanisch, Englisch und Französisch sowie Italienisch fließend. Auch auf Chinesisch und Arabisch kann sich die Dreifachmutter gebrochen unterhalten. Eine Begabung, die auch ihre Kinder geerbt haben dürften, denn alle drei sprechen die Muttersprache ihrer Mama perfekt.

Und auch Ehemann Antonio versteht Deutsch, nur die Mundart vom Kobernaußerwald mache ihm die Unterhaltungen bei Besuchen im Innviertel schwer.

Rückschläge bei Drillingsgeburt

Trotz der vielen Rückschläge, die Martinez-Strasser bei und nach der Geburt ihrer Drillinge in der 27. Schwangerschaftswoche verkraften musste, berichtet sie mit Frohmut über die Entwicklung ihrer drei Kinder. Valeria sei eine richtige Kämpfernatur, denn sie kam gerade einmal mit einem Gewicht von 850 Gramm auf die Welt und ist Spastikerin. Nach der Matura hat sie eine Übersetzer- und Dolmetscherausbildung in Salamanca begonnen. Drillingsbruder Pablo, der bei der Geburt schwere Gehirnblutungen erlitt, ist geistig eingeschränkt.

Dennoch konnte der entwicklungsverzögerte Junge nach der Schule eine Ausbildung beginnen. Er wird als Gärtner ausgebildet, wobei besonders auf seine Bedürfnisse geachtet wird, erzählt Martinez-Strasser. „Da in Spanien alle Kinder Integrationsschulen besuchen, wurde auch Pablo sprachlich gefördert. Trotz seiner Behinderung versteht er Deutsch und Spanisch.“ Die zweite Tochter, Carolina, beschreibt Martinez Strasser als die Wissenschaftlerin der Familie. Momentan macht Carolina Station in Barcelona, wo sie Nanotechnologie studiert. „Sie schwärmt oft von Österreich und würde hier gerne studieren“, erzählt die Ausgewanderte.

Die Option, wieder ins Innviertel zurückzukehren, lässt sich die Lohnsburgerin offen. „Leicht möglich, dass es hier einen Neuanfang gibt. Derzeit sieht die Zukunft in Spanien wegen der hohen Arbeitslosenrate eher düster aus.“

Interview mit Eva-Maria Strasser

Die 53-Jährige erzählt, was sie an ihrer Heimat vermisst, welche Jugendsünde sie jederzeit wieder begehen würde und über ihre Laster.

Volkszeitung: Was geht Ihnen am meisten am Innviertel und Österreich ab?

Eva-Maria Strasser: Meine Mutter, meine Freunde, der heimische Humor, Skifahren, die Musikalität der Leute und natürlich das Essen. Innviertler Bratl, alle Arten von Knödel, Leberkäs mit Saft und Kraut und das Knoblauchstangerl vom örtlichen Bäcker.

Was stört Sie am Innviertel?

Die Leute sind durch die starke Erdverbundenheit sehr konservativ und sind in den letzten Jahren rassistischer geworden, aber das gibt es auch hier in Spanien.

Wie oft kommen Sie noch in die Heimat?

Etwa zwei bis drei Mal im Jahr.

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Jeden Tag leben und genießen so wie er kommt. Denn es könnte der letzte sein.

Darüber rede ich am liebsten …

Über meine Reiseerlebnisse.

Welche Jugendsünde würden Sie wieder begehen?

Über den Zaun klettern, um den Machu Picchu um sechs Uhr früh ganz alleine und ohne Touristen zu sehen.

Welches Schlüsselerlebnis gab es in Ihrem Leben?

Das war die Frühgeburt meiner Drillinge.

Welche Laster haben Sie?

Süßigkeiten und Coca Cola.

Worüber reden Ihre Kollegen, wenn Sie nicht dabei sind?

Was immer es auch ist, ich hoffe, sie haben Spaß dabei.

Was war Ihnen zuletzt peinlich?

In einem Gespräch mit österreichischen Freunden habe ich spanische Gestiken verwendet, die keiner der Anwesenden verstand.

Wenn ich drei Wünsche frei hätte, …

… würde ich mir wünschen, dass meine Kinder keine Behinderung hätten, dass meine Mutter bei uns lebt und dass Österreich näher bei Spanien wäre.

Wenn ich morgens in den Spiegel schaue …

… denke ich mir meinen Teil.

An mir selbst stört mich …

… das Hinterteil.

Provinz Avila und die Stadt der Treuen

Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der spanischen Region Kastilien-Leon hat rund 59.000 Einwohner. Avila wird auch als die Stadt der Treuen bezeichnet, da sie im Spanischen Bürgerkrieg und während der Franco-Diktatur als besonders loyale Stadt galt. Avila ist 1985 zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt worden. Vor allem die 2,5 Kilometer lange Stadtmauer ist Anziehungspunkt vieler Touristen. Beliebte Sehenswürdigkeit ist auch die Geburtsstätte der hl. Theresa von Avila. Die Einwohner gelten als eher kühl, wie die ausgewanderte Österreicherin beschreibt. „Im Allgemeinen reisen die Leute aus Avila nicht sehr viel und zum Großteil verwechseln sie immer noch Österreich mit Deutschland“, erzählt Eva-Maria Martinez-Strasser.